Tausche Weltfrauentag gegen 364 Tage Wertschätzung
Feiertagsdämmerung!
Der vergangene Weltfrauentag hatte es nicht leicht, sich gegen das nicht verebbende Raunen über den neuen österreichischen Karfreitag zu behaupten. In Berlin war der Internationale Frauentag 2019 erstmals arbeitsfreier Feiertag! Es fand sich auch prompt eine Gegenstimme dazu: In den deutschsprachigen Vatican News äußert sich dazu vorab der Berliner Erzbischof Heiner Koch gegen die Aufwertung des Frauentags zu einem offiziellen Feiertag. Auch parteipolitischen Seitenhieb gegen die diesbezüglichen Prioritäten der rot-rot-grüne Berliner Stadtregierung mag sich der Erzbischof nicht verkneifen. Hier der Link zu Vatican News. Die offizielle Kirche hat bisher abseits der Verehrung Marias nicht so viel Empathie für die Rolle der Frauen gezeigt. Ob selbst loyal katholische Frauen sich betroffen fühlen vom "Hohen Frauentag" am 15. August, an dem die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel gefeiert wird (kein staatlicher Feiertag), darf bezweifelt werden. Die durchaus in der Öffentlichkeit wirkenden christlichen Aktivistinnen für Frauenrechte siedelten ihre Initiativen typischer Weise rund um Ehe, Familie und Erziehung, allenfals Bildung für Frauen an. Dem wenig christlichen emanzipierten Frauenbild hinter dem Frauentag standen die kirchliche Kreise weiterhin recht reserviert gegenüber .
Eine Parade der Länder, in denen der Frauentag als staatlicher Feiertag begangen wird, ist allerdings tatsächlich politisch recht eindeutig: Mit Kuba, Nordkorea, China, Russland sind die letzten offiziellen und die ehemaligen kommunistischen Länder in der insgesamt recht bunten Liste auffällig stark vertreten. Ist also der Weltfrauentag daher tatsächlich eine kommunistische Erfindung?
Initiiert wurde der Weltfrauentag im August 1910 von der deutschen Sozialistin Clara Zetkin auf dem zweiten Kongress der sozialistischen Internationale in Kopenhagen. Das nebenstehende (gemeinfreie) Foto: Clara Zetkin und Rosa Luxemburg. Der erste internationale Frauentag fand schließlich am 19. März 1911 und ab 1921 am 8. März statt.
Nicht nur viele Frauentage
Was haben diese mehr als 100 jährlichen Frauentage für die Frauen gebracht? Die nur in kleinen Schritten verfolgbaren Verbesserungen sind der unerschrockenen Initiative, dem Networking-Geschick und der Ausdauer vieler mutiger Frauen zu verdanken. Ein epochaler Schritt gelang anlässlich der Gründung der Republik (Deutsch-)Österreich am 12. November 1918: das allgemeine Wahlrecht für Frauen in Österreich. Wohltuend unaufgeregte Information über die Entwicklung des Frauenwahlrechts und anderer Themen der Frauenpolitik stellt auch die Nationalbibliothek-Online-Ausstellung ARIADNE zur Verfügung.
In der Zeit vor dem ersten Weltkrieg fanden auch erste Internationalen Frauenkonferenzen statt. Diese hatten schon 1904 in Berlin eine sehr prominente Österreicherin als Vortragende: Bertha von Suttner, die spätere Friedensnobelpreisträgerin. Sie war nicht nur in der Friedensbewegung maßgebliche treibende Kraft. Für sie war es nur konsequent, auf das Los der Frauen aufmerksam zu machen, die von allen Kriegen schwerst betroffen waren und doch nie auf deren Entstehung Einfluss nehmen durften.
Spektakuläre und hartnäckige Aktivistinnen für Frauenrechte waren die Mitglieder der "Suffragetten", denen im Jahr 2016 auch ein mit Meryl Streep prominent besetzter Kinofim gewidmet wurde.
Obenstehende Bilder stammen von einer Figurengruppe neben dem kanadischen Parlament in Ottawa, die den Einsatz der Sufragetten für das Frauenwahlrecht würdigt. Das dargestellte Papier enthält den Slogan: Women are Persons... (Fotos: Florian Kliman).
Substantielle Verbesserungen können allerdings in der Realität dauern! In Österreich etwa erreichte man eine solche mit der großen Reform des Familienrechts 1975. Unter Bundeskanzler Bruno Kreisky und Justizminister Christian Broda wurde die Gleichstellung von Mann und Frau im bürgerlichen Recht festgeschrieben. Im gleichen Jahr ermöglichte übrigens der Staat den Frauen auch erstmals den legitimen Schwangerschaftsabbruch.
Rückendeckung durch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
In der Resolution von 10. 9. 1948 kam unter dem Eindruck des verheerenden zweiten Weltkrieges die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte zustande, die seither zu einem kulturgeschichtlichen Meilenstein der Menschheit geworden ist. Darin sind gleich zu Beginn die zwei Artikel verankert, die nun auch den Frauen - weltweit! - jenen selbstverständlichen Platz in der menschlichen Existenz einräumen.
Artikel 1
Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.
Artikel 2
Jeder hat Anspruch auf die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand...
Von Beginn an hat sich die UNO auch als Schutzorganisation für die Frauen der Welt verstanden. Dies wurde neben den zahllosen Projekten zum Schutz und zur Förderung von Mädchen und Frauen auch erneut mit der Aufnahme in die 17 Nachhaltigkeitsziele verankert, die von 189 Mitgliedsländern als Grundlinie ihrer Politik anerkannt wurden. Die Nachhaltigkeitsagenda der UNO (Agenda 2030) nennt als 5. Ziel die Erreichung der Geschlechtergleichstellung und die Befähigung aller Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung. Zum weithin unterschätzten Text führt dieser Link.
Resolutionen, Rechte, Frauentage versus Realität - 0:1?
Natürlich ist es möglich, all das an Rechten und Ansprüchen Erreichte in den Boden zu stampfen. Allzu offensichtlich sind schließlich die immer noch vorhandenen Ungerechtigkeiten. Und doch muss man sich den weiten zivilistorischen Weg in die Gegenwart vor Augen halten. Vor einigen hundert Jahren hatte im christlichen Europa der Ehemann einer vergewaltigten Frau Anspruch auf Entschädigung, war es doch sein Eigentum, das nun an Wert verloren hatte!
Quälend langsam scheint uns oft die Mühle der Gerechtigkeit. Was mag alles unberichtet und ungehört schon passiert sein neben solchen in die Öffentlichkeit gekommenen Abscheulichkeiten wie die empörenden Massenvergewaltigungen im jugoslawischen Bürgerkrieg oder den Schuss des Talibankämpfers mitten ins Gesicht der aufgeweckten pakistanischen Schülerin Malala bis herauf zu dem systematischen Missbrauch an Nonnen, wie er vor wenigen Wochen zum Medienthema wurde!
Bevor all dieser Schrecken endet, werden wir noch viel mehr solche ans Licht kommende unfassbare Ereignisse ertragen müssen. Aber nur wenn es Rechte gibt, kann auch das Unrecht klar benannt und konkretisiert werden. In diese langsame Mühle geraten auf die Dauer auch die Staatenlenker, die wohl UNO-Papiere mitunterzeichnen, um nicht vom Fluss der Fördergelder abgeschnitten zu werden. Es ist nämlich eine Idee der Religionen, dass es Gott gefallen haben könnte, für uns das Schicksal eines benachteiligten Lebens vorzusehen, das wir tapfer zu ertragen haben. Die von uns Menschen geschaffenen monströsen Ungerechtigkeiten können durchaus auch von uns Menschen verändert, ja abgeschafft werden, sobald uns bewusst wird, dass sie nicht (mehr) akzeptabel sind.
Die Mühle der Gerechtigkeit hat allerdings noch viel Material zu mahlen. Eine der großartigsten Aspekte der 17 Nachhaltigkeitsziele der UNO mag wohl die unumkehrbare Sichtbarmachung der Zusammenhänge zwischen den Problemfeldern auf unserer allen gemeinsamen Welt sein. Was lange Jahre wie das fromme Mantra einiger Unbeirrter für sich alleine stehen musste, ist inzwischen mehr als je zuvor eine von Fakten untermauerte Einsicht, die von den konstruktiven Kräften auf der ganzen Welt geteilt wird. Weder Ökonomie, noch Umwelt, noch Menschenrechte und somit auch Frauenrechte können für sich alleine nachhaltig gedeihen. Auch der verunsicherte Mann, der Angst vor der Weiterbildung seiner Frau hat, muss in dieser Entwicklung mitgenommen werden. In dieser Einsicht liegt die wirksamste und nachhaltigste Absicherung der Rechte der Frauen.
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