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Von den Mühen der politischen Ebene

Entschuldigung für die erst reise- dann gesundheitsbedingt ausgefallenen Beiträge vom 9. 9. und 16. 9.

Diesmal ein Bild eines Zeitungsartikels als Titel. Es geht um einen international Aufmerksamkeit erregenden scherzhaften(?) Kommentar zu einem zuvor nicht übermäßig beachteten Post. Auch ein Scherz, wie derjenige des Unternehmergenies (SpaceX, Tesla) Elon Musk, der gerne mit Provokationen im Gespräch bleibt, lässt bekanntlich tief blicken. Im obigen Post auf der (ihm auch gehörenden) Plattform X (ehemals Twitter) beliebt er aus Anlass des jüngsten Attentatsversuches auf Donald Trump zu scherzen, dass bisher niemand einen Attentatsversuch auf Präsident Biden oder Kamala (Familienname war ihm vielleicht entfallen) unternahm...

Wien darf nicht Chicago werden, so plakatierte die FPÖ schon anno 1991 und nochmals 1996. Da hatte man noch das Chicago im Kopf, an dem sich ein ganzes Filmgenre abarbeiten konnte. Auf der Leinwand wurden in diesem Chicago einfach gestrickte Bandenkriege über Alkoholschmuggel, Prostitution und Drogenhandel ausgetragen. Erneut ist es die FPÖ, die sich 2005 um Wien Sorgen macht: Wien darf nicht Istanbul werden! 2024 sucht man solche Wahlplakate in Wien vergeblich. Vielleicht auch deswegen, weil Wahlveranstaltungen in Klein-Istanbul (auch: Wien-Favoriten) für die FPÖ ein Heimspiel geworden sind. Seit Anbeginn der 2. Republik galt dieser Arbeiterbezirk als Hochburg der Wiener SPÖ.


Im April des Jahres musste Österreich noch vor dem EU-Wahnsinn gerettet werden. Solche Alarmtöne sind zumindest auf Plakaten rar geworden. Am meisten wird noch vor der ÖVP gewarnt, der man nun partout nicht glauben will, nicht mit Herbert Kickl koalieren zu wollen. Von linken Intellektuellen wie Robert Menasse bis in die Verästelungen der SPÖ-Teilorganisationen hinunter ist es die ÖVP, die bekämpft werden muss. Wie schon an anderer Stelle beklagt, will man die Mühe, sich mit der FPÖ und ihrem Parteichef auseinanderzusetzen lieber anderen überlassen, Immerhin liefern die Schwarzen in der unharmonisch auslaufenden Koalition mit den Grünen reichlich Angriffsflächen. Aber: Mehr Aufreger als die dort und da überbordenden Warnungen sind in diesem Wahlkampf eher nicht mehr zu erwarten. Schussattentatsversuche oder ein neuer, tatsächlich noch nicht durch alle Medien geschleifter Smartphone-Chat sind nicht in Sicht.


Selbst die für tausende Menschen existenzbedrohenden verheerenden Überschwemmungen der letzten Woche wollen sich nicht zur Dramatisierung der sehr österreichischen Wahlkampagnen einspannen lassen. So würden ja Naturkatastrophen, so sagen die Wahlkampfexperten traditionell eher den Regierenden in die Hände spielen, sofern diese es schaffen, in keines der reichlich vorhandenen Fettnäpfchen zu treten. In Gummistiefeln auftretende Landesväter wurden etwa bei Helmut Schmidt (1962) als Wahlhelfer verstanden. Ebenfalls aus Deutschland kommt das bestens bekannte Gegenbeispiel: Armin Laschet wurde im unpassendsten Moment beim Lachen fotografiert und das mitten in einer Überschwemmungskatastrophe (2021). Da half dem CDU-Politiker weder eine Entschuldigung, noch die Aufklärung der sehr banalen Situation.


Eine aus grüner Sicht nicht unverständliche Verküpfung des Überschwemmungsgeschehens mit der unbestritten entscheidenden Rekordhöhe der Temperatur des Mittelmeeres war ein zu komplexes Thema um sowohl seriös, wie auch kurzfristig weiter thematisiert zu werden. Eine naheliegende Themenverwandtschaft besteht zum koalitionsintern nicht gelösten Konflikt über die Renaturalisierungsverordnung der EU. Bekanntlich hat die sowohl für Umwelt wie auch Verkehr zuständige Ministerin Leonore Gewessler (Die Grünen) für nachhaltige Irritation zwischen den Regierungsparteien gesorgt. Die Journalistenfrage an den Bundeskanzler, ob das nicht die Antwort des Wassers auf die in Österreich vergleichsweise hohe Bodenversiegelung sei, konterte der Niederösterreicher mit dem gut vorbereiteten Argument, dass in N.Ö. mit nur 13 % der Flächen verbaut sind, was den niedrigsten Wert in Österreich darstellt. Zu diesem Anteil an versiegelter Landfläche habe ich übrigens in der Recherche noch etliche andere Angaben gefunden. Jedenfalls leuchtet ein, dass eine Regenmenge von über 400 Liter pro Quadratmeter in jedem Fall zu Überflutungen geführt hätte. Eine mögliche gewonnene Vorwarnzeit bei einem größeren Anteil an wasseraufnehmenden Böden fiel allerdings ebenfalls unter die Argumente, die nur schwer wahlkampftauglich verständlich zu machen sind. Da sind 10.000 Euro für jeden Betroffenen schon wesentlich leichter zu verstehen (Chrstian Hafenecker am 19.9. 2024).


Es sieht also nicht danach aus, als könnte eines der angeschnittenen hochaktuellen Themen zu einer entscheidenden Wahlhilfe für die zahlreichen Unentschlossenen werden. Doch vielleicht ist gerade das noch eine der besseren Nachrichten dieses Wahlkampfes. Sollten wir uns doch mit den grundsätzlichen Fragen unseres Zusammenlebens in einem Land beschäftigen, das enorm viele Stärken hat. Darunter befinden sich exakt jene Fragen, für die in Wahlkampfinterviews noch nie ausreichend Zeit zur Verfügung war. Letzte Woche erst las ich auf einer Informationstafel in Kopenhagen, dass man mit seiner Lebensqualität schon jahrelang seinen Spitzenplatz unter den Städten der Welt behauptet - gleich hinter - WIEN! Tatsächlich ! Irgendwer scheint doch ein bisschen was richtig zu machen in diesem Land. Die Sprüche vom heruntergewirtschafteten Saftladen und dem an die Wand gefahrenen Land sind daher gelinde gesagt nicht zu verallgemeinern. Denjenigen allerdings, die wider besseres Wissen solches verbreiten, sind auch noch weitere Lügen zuzutrauen.


Eine zukunftsfähige Politik wird selbstverständlich Schwachstellen zu verbessern haben. Aber sie wird auch das schon Starke ausbauen. Da es bekanntlich mehr verschiedene Meinungen im Land gibt, als die Zahl der wahlwerbenden Parteien, wird dem mündigen Bürger schon seit Bestehen freier Wahlen etwas durchaus Anspruchsvolles zugemutet: Prioritäten setzen. Die Wahlen sind also jener Moment, wo auch wir Bürger damit konfrontiert sind, die Wahl zwischen den bestehenden Möglichkeiten zu treffen. Ich weiß, das ist anstrengend. Die Guten da und die Bösen dort, das wäre wesentlich leichter. Boshafter Weise steht aber neben den hehren Zielen einer Partei auch das Potential, die Glaubwürdigkeit wie auch das ehrliche Bemühen des vorhanden Personals zur Wahl. Alle Achtung daher vor jedem, der sich dem aussetzt und - der eine Halbsatz geht vielleicht gerade noch - und vielleicht doch keine so große Leistung, ohne freie geheime Wahlen auskommen zu müssen, weil bereits alles für dich entschieden wurde?





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