Juhuu, Nationalratswahl !
Aktualisiert: 20. Aug.
Es ist ein gutes Land, wohl wert sich sich ein Fürst sein unterwinde (Franz Grillparzer, König Ottokars Glück und Ende), Hier das Kitzsteinhorn links vore und Glocknergruppe mit Großglockner im Hintergrund von Saalbach/Schattberg aus gesehen.
Am Montag in 6 Wochen werden wir auch wissen, was die anderen in der Wahlkabine so gemacht haben. Am Sonntag davor allerdings gehen wir wieder einmal durch jene einsamen Minuten in der Wahlzelle, ganz allein machen wir unser Kreuz in einen Kreis. Nicht einmal meine Frau sieht zu, auch nicht meine Kinder. Und: niemand kann je beweisen, was ich da gewählt habe. Das also ist sie, die freie und geheime Wahl.
Geheim - das war früher mal ein wenig geschätztes Detail, ein Schutz, der den weiterhin wählenden Bürgern während der nationalsozialistischen Herrschaft geraubt wurde. Das gesunde Volksempfinden war ausreichend, das mächtige neue Gemeinsame war so offensichtlich, wer braucht da noch die Geheimniskrämerei in der Wahlzelle? Wer nichts zu verbergen hat, der muss doch schließlich nicht in diese lächerliche Kabine gehn! Was ein rechter Mann ist - und eine wackere Frau - der gibt frank und frei seine Stimme ab! In Anbetracht viel brutalerer und monströserer Verbrechen eine kleine Spitze menschlicher Bosheit und Niedertracht. Doch immer noch beklemmt mich dieses Detail, das ich aus der unvergleichlichen Dauerausstellung "Topographie des Terrors" im Herzen Berlins mitgenommen habe. Es wird mich wohl bis zum Lebensende begleiten.
Während meiner Dienstjahre in der öffentlichen Verwaltung von Wien hatte ich viele Male die Gelegenheit, Wahlen als Wahlleiter eines der Wahllokale mitzuerleben. Über die Jahre hinweg schätzen gelernt habe ich diese Möglichkeit, dieses aufwändige Prozedere auch hinter den Kulissen zu kennen. Der Umgang mit den Stimmen geschah immer mit so viel Respekt und der Stress, ob die aufgeschriebenen Teilsummen nun auch wirklich die Gesamtzahl der abgegeben Stimmen ergab, war ein ums andere Mal beträchtlich. Vorher war ja an ein nach Hause gehen nicht zu denken. Einmal musste sogar neu gezählt werden und die Rückmeldung an die Zentrale musste ein weiteres Mal verschoben werden. Noch wichtiger aber war der überraschend wertschätzende Umgang der sogenanten "Beisitzer", der von den Parteien entsandten Vertreter miteinander. Es ist noch heute wohltuend, mir ihr Bemühen um vollständige Rechtmäßigkeit jeder Entscheidung um jeden unklar ausgefüllten Wahlzettel in Erinnerung zu rufen. Wohltuend fühlt sich auch heute noch dieser gefühlte Unterschied zu allen Tendenzen an, Wahlen als schwer überbewertetes Getöse abzutun.
Nach Jahren beitrittswilliger EU-Kandidaten kam die zunehmende Verbreitung korrekter Wahlen einer naturgegebenen Entwicklung gleich, die nicht weiter erwähnenswert war. Jüngere Entwicklungen einnern hingegen daran, dass andere Regierungen wie jüngst bei der Wiederwahl Nicolás Maduros in Venezuela eher Stress mit dem Verschwindenlassen oder Fälschen von Ergebnissen hatten. Hier sind natürlich Länder mit groß ausgebauten Geheimdiensten eindeutig "im Vorteil". Sie erledigen solche Herausforderungen wesentlich schneller und eleganter. Dieser von mir erinnerte sorgfältig um Korrektheit bemühte Umgang einer normalen Wahl in einem normalen Wahllokal erhält vor dem Hintergrund solcher aktueller Ereignisse und jüngerer Entwicklungen neuen Wert. Eine stete Ermahnung sind solche Erfahrungen, diesen erarbeiteten unbezahlbar wertvollen Standard von "Normalität" wertzuschätzen.
Auch die zuletzt auf diesem Platz beschriebene Beschäftigung mit antiker Demokratie (Salzburger Festspiele, ORESTIE I-IV, Perner-Insel Hallein) hatte zu diesem Prozedere des Auszählens eine berichtenswerte Anmerkung zu machen. Regisseur Stemann hat es sich nicht nehmen lassen, über einen allfälligen Freispruch von Orest das Publikum abstimmen zu lassen. Nach Rückkehr von der Pause fanden wir orange JA und rote NEIN - Zettel auf unseren Sitzen. In durchgereichte Urnen durfte dann dem Freispruch mit "JA" zugestimmt oder stattdessen für eine Verurteilung mittels "NEIN" -Zettel abgestimmt werden. Die Auszählung war dann durchaus originell inszeniert. Die aus den Urnen geleerten Zetteln wurde säuberlich auf zwei Haufen zusammengeschoben, wobei der orange Haufen mit Freispuchstimmen geringfügig breiter war. Die Höhe der Haufen ließ sich aus Zuschauerperspektive nicht unterscheiden. Offensichtlich war es der Wahlkommission problemlos möglich jedes gewünschte Ergebnis optisch herzustellen. Eine Anmerkung zur Genauigkeit wie auch Manipulierbarkeit antiker Wahlen war damit gemacht. Eine wichtige Anmerkung, denn ein vielleicht begründet fehlendes Vertrauen in die Auszählung ist auch zugleich der Todesstoß für die Idee der Wahlen. Unweigerlich drängte sich da bei mir die Herausforderung auf, in einem riesigen Land wie Indien Stimmen auszuzählen. Eine Verbreiterung darüber entfällt aus begreiflichen Gründen.
Schließlich habe ich auch mit unseren österreichischen Wahlen am 29. September alle Hände voll zu tun, habe ich doch am 22. Juli an dieser Stelle meinen Entschluss öffentlich gemacht, "mehr für die Demokratie zu tun". Nun ja, für Philosophen hat Denken auch schon etwas mit "Tun" zu tun(sic!). Diesmal habe ich aber entschieden an mehr gedacht. So suchte ich bereits nach Möglichkeiten, wie ich unseren wenig geschätzten Luxus, über die eigenen Wahlmöglichkeiten nachzudenken auch anderen schmackhaft machen könnte. Zuvorkommenderweise hat mich nun ausgerechnet heute vormittag eine E-Mail erreicht, in der die österreichische Initiative "WAHLKABINE.AT" vorgestellt wird. Hier kann an 25 Kriterien eine Orientierungshilfe abgefragt werden, welche der Parteien am meisten mit den eigenen Überzeugungen übereinstimmt. Das ist, wie man nach Einstieg auf diese Website auch sieht, nun nicht schon als Wahlepfehlung zu verstehen. Dies machen auch die Macher deutlich und haben sich gewichtige Partner wie Medien und die Volkshochschule ins Boot geholt. Sehr wohl aber ist die ganze "Flanke" der sachlichen Unterschiede schon einmal appetitlich aufgearbeitet. Auf dieser Basis ist nun eine Grundlage gelegt, sich über seine ureigensten - vielleicht vor sich selbst auch nicht ganz klaren - Auschlussgründe ebenso wie Sympathien klar zu werden. Ein lohnender Ausflug ins eigene Ich. Aus Deutschland ist mir schon übrigens schon länger eine Webseite namens "WAHLOMAT" bekannt, die von der Bundeszentrale für politische Bildung in Deutschland erstellt wurde.
Über diese und vielleicht andere vergleichbare Möglichkeiten, diesmal wirklich zu wählen, werde ich nächsten Montag berichten.
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