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Wer schützt die Kinder vor der Kinderschutzkonferenz?

Viele haben das sehr erstaunliche Gespräch des österreichischen Kardinal Schönborn mit Doris Wagner, der Autorin des Buches "Spiritueller Missbrauch in der katholischen Kirche" im ORF gesehen. Ohne sich wegzuducken, schluckte Schönborn die klaren und schon gut verarbeiteten Aussagen von Doris Wagner. Das hat neben der mutigen Autorin doch auch ihm einige Sympathien eingebracht. Gleichzeitig aber wurde der Abgrund deutlicher als je zuvor, vor dem die aufrichtigen Katholiken heute stehen. So gebeugt wie der betroffen und menschlich reagierende Kardinal stellt man sich die Stimmung im Klerus vor. Auch seine Erwartungen an die damals noch bevorstehende Konferenz waren eher bedrückend. So wisse er auch nicht, warum diese Konferenz erst jetzt anberaumt worden sei. Anstatt konkreter Schritte erwarte er sich eher eine Unterstützung bei der Bewusstseinsbildung im Klerus. Auch dass hier die Bischöfe aus den "nördlichen" Ländern das Problem wesentlich kritischer sehen als die Oberhirten in anderen Gegenden der Welt, ließ die Zuseher ebenfalls bedrückt zurück. Ist das Bild von der betroffenen Kirche aber auch tatsächlich repräsentativ?


"Der Schaden ist unermesslich" schrieb Walter V. Robinson zum Titelthema "Wo bleibt die Reue" in der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit" vom 21. Februar 2019. Anlass war die Rückversetzung in den Laienstand des Kardinals Theodore Edgar McCarrick aus Bosten durch den Papst. Er hatte über Jahre hinweg junge Buben missbraucht. Gerade aus der Reaktion von Christoph Schönborn konnte man erkennen, dass die eigentliche Problematik überhaupt noch nicht angekommen ist: die völlig unerträglich gewordene Heuchelei einer riesigen weltweiten Organisation. Diese Organisation, die Jahrzehntelange gegen jede Art von Empfängnisverhütung (in der Ehe!) mobil machte und heute noch immer hinhaltenden Widerstand gegen die Gleichstellung Homosexueller leistet, hat ganz enorme interne Probleme. Wie Doris Wagner sehr gut darstellt, steht hinter all den zu beklagenden Missbrauchsfällen das Problem des spirituellen Missbrauchs. Was das ist? Es ist der pauschale Anspruch moralischer Überlegenheit auf Grund dessen, dass man ja das Werk Gottes tut. Es ist die pauschale Rechtfertigung für verschiedenste Positionen, die die Freiheit anderer Menschen einschränken. Der eigentlich "Schuldige" dabei ist immer Gott, der ja solches von uns allen verlangt. Der Anspruch auf Autorität ist von Gott ausgeborgt, entstammt nur manchmal ethisch vorbildlichem Verhalten. In dieser geborgten Macht liegt die große Verführung, der nicht jeder gewachsen ist. Diese noch unkonkret klingende Ausgangssituation, dieses Gefälle an Autorität ist in der Tat der Humus, auf dem erst die ekeligen Gewächse des Kindermissbrauchs gedeihen konnten. Dass Nonnen ebenfalls Missbrauchsopfer von Priestern geworden sind, ist erst sehr spät in der Diskussion zum Thema geworden. Schlüpfrige Schauergeschichten, dass Priester und Nonnen entgegen dem selbstauferlegten Zölibat doch sexuelle Beziehungen zueinander suchten, nehmen sich dagegen wie ein kleiner Lichtschimmer von Normalität in dieser verkehrten doppelt unmoralischen Welt an.

Eine besondere Spielart von Doppelbödigkeit stellt dann noch die in derWelt da draußen nachhaltig geächtete Homosexualität dar. Es gibt hier sicher auch Bestrebungen, diese Ächtung zu überwinden. Hier darf man alleine schon in Europa enorme Unterschiede zwischen Nord und Süd ebenso wie zwischen Ost und West bestaunen. Unübersichtlich stellt sich auch die Faktenlage zu deren Verbreitung unter den Priestern dar. Der französische Jornalist Frédéric Martel hat 21. Februar 2019 sein Buch mit dem englischen Titel "In the Closet of the Vatican" vorgestellt. Darin stellt er seine Recherchen über vier Jahre hinweg dar, die über die Verbreitung der Homosexualität im Vatikan angestellt hat. Er zitiert einen Priester, der 20 Jahre lang dort gelebt hat und sogar auf die atemberaubende Schätzung von 80 % homosexuellen Männern im Kirchenstaat kommt. Trotz der langjährigen Recherchen ließen sich allerdings keine seriösen Zahlen darüber ermitteln. Er weist jedenfalls darauf hin, dass gerade die homosexuellen Mitarbeiter  in verschiedensten Funktionen sich durch besonders scharfe Wortmeldungen gegen Homosexualität hervortun, um sich selbst zu schützen und zu tarnen.


Ich habe keine Daten darüber, ob noch immer ein namhafter Anteil der männlichen und weiblichen Klosterinsaßen unfreiwillig von ihrer Familie dorthin entsandt wurden, wie dies immerhin seit Bestehen von Klöstern durchaus normal war. Unter diesen Umständen ließ sich noch einiges Mitgefühl für die dort unfreiwillig Festgehaltenen aufbringen. Es steht aber doch zu bezweifeln, dass dies gegenwärtig noch ein größerer Anteil ist. Es ist also zu befürchten, dass sich auch die aufgedeckten gleichgeschlechtlichen Beziehungen dort ebenfalls erst durch die Existenz des  Schutzschildes einer so vorbildlich opferbereiten zölibatären Lebensweise entwickeln konnten.

Ich habe abschließend noch die Ansprache von Papst Franziskus im schriftlich nachgereichten Original angefügt. Es erstaunt etwas, dass soviel Raum den verschiedenen Erscheinungsformen von sexueller Gewalt, Nötigung in der Gesellschaft und vor allem überall auf der Welt gewidment wird. Ermahnungen an die Priesterschaft sind ein doch recht zahmes Mittel gegen die Seuche des völligen Vertrauensschwundes, auf den man ungebremst zusteuert. In Aussicht gestellte künftige Maßnahmen sind das Maximum dessen, wozu man sich derzeit durchringen konnte. Nicht einmal die Strafrechtliche Verfolgung ohne Wenn und Aber steht zur Diskussion. Wenn überführte vielfache Täter zur maximalen Strafe, der Versetzung in den Laienstand verdonnert werden, dann dürfen sich die werten katholischen Laien ja sehr über diesen prominenten, bestens geschulten Neuzugang freuen. Zum katholischen Laien reichts immer noch!


Selbst eindeutig erwiesene und nach weltlichen ebenso wie kirchlichen Maßstäben völlig unakzeptable Straftaten, die erwiesener Weise menschliche Leben zerstören sind noch nicht genug für klare Konsequenzen. Wer auf Änderungen bei der Rolle der Frauen in der Kirche, oder gar auf das Ende des Zölibats gehofft hat, muss seine Lehren aus diesen Wochen ziehen. Doch die bedeutendste Frage hinter dem Trauerspiel muss eigentlich lauten: Wie stellt sich die offensichtlich mehrheitliche Gruppe der Bremser und Beschwichtiger wohl Gott vor, dass man ihm die Fortsetzung dieser haarstreubenden Verlogenheit unterschieben kann oder er vielleicht gar seine Kirche zu solchem Verhalten zwingt!


Menschen, die vor Gott, vor der Welt, vor der Wahrheit solche Greuel rechtfertigen und zugleich eine Kinderschutzkonferenz organisieren können, ist weiterhin einiges zuzutrauen. Vorsicht vor solchen Beschützern!


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